- Wattenmeer: Leben zwischen Ebbe und Flut
- Wattenmeer: Leben zwischen Ebbe und FlutEines der fünf bedeutendsten Feuchtbiotope der Erde ist das Wattenmeer, das vor der südlichen und östlichen Nordseeküste liegt. Es beherbergt 4 000 Tier- und Pflanzenarten, die es nur dort gibt, ist Brut-, Aufzucht-, Mauser- und Nahrungsgebiet für Millionen von einheimischen und durchziehenden Wat- und Seevögeln, »Kinderstube« vieler ökologisch und wirtschaftlich wichtiger Fische und ein wichtiger Lebensraum des Seehunds.Die Einzigartigkeit des Wattenmeers liegt in dem steten Wechsel zwischen Überflutung und Trockenfallen, den die Gezeiten hervorrufen und der extreme Lebensbedingungen, aber auch eine hohe biologische Produktivität mit sich bringt. Das Wattenmeer ist durch den Meeresspiegelanstieg, der seit Ende der letzten Eiszeit in Schüben erfolgt und in den letzten Jahrhunderten etwa 25 Zentimeter pro 100 Jahre betrug, vor allem aber durch die Aktivität des Menschen in den dicht besiedelten Küstenregionen bedroht. Letzteres führt nicht nur zu einer zunehmenden Belastung von Wasser und Boden mit Schadstoffen sowie zur Lärmbelästigung von Vögeln und Seehunden, sondern auch zu einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels, da die anthropogene Verstärkung des Treibhauseffekts eine zusätzliche Erwärmung des Erdklimas bewirkt, die zu einer Ausdehnung des Meerwassers führt.Ein amphibisches GroßökosystemDas Wattenmeer liegt zwischen Den Helder in den Niederlanden und dem dänischen Esbjerg entlang der Nordseeküste. Es besteht aus Sand- und Schlickflächen, die im Rhythmus von Ebbe und Flut periodisch überflutet werden, woran sich die dortigen Lebewesen angepasst haben. Zu seinem Großökosystem zählen auch die Inseln und Sandbänke und die dazwischenliegenden Prielsysteme und Baljen sowie Salzwiesen und Flussmündungen, also die gesamte Region zwischen Außendeich und offenem Meer. Zwischen den West- und Ostfriesischen Inseln und dem Festland ist das Watt nur etwa sechs bis zehn Kilometer breit, in der nordfriesischen Watten- und Insellandschaft erstreckt es sich jedoch bis zu 40 Kilometer ins Meer hinein.Die GezeitenwelleAussehen und Veränderung dieser Region werden von der Gezeitenwelle (Tide) bestimmt, die zwischen Nordschottland und den Shetlandinseln in die Nordsee eintritt, nach zehn Stunden die Westfriesischen Inseln erreicht und dann zunächst ost-, dann nordwärts die Küste entlangläuft, bis sie nach 17 Stunden Laufzeit Nordjütland erreicht. Eine zweite Welle kommt aus dem Ärmelkanal und verläuft über die westniederländische Küste nach Südostengland. Sie hat daher keine Auswirkungen auf das deutsche Wattenmeer. Die Laufzeit der Nordsee-Gezeitenwelle ist mit rund 12,5 Stunden so lang, dass, während eine Flutwelle die dänische Küste trifft, die folgende Ebbe bereits auf Westfriesland zuläuft und die nächste Flut bereits Newcastle in Nordostengland erreicht hat. Der Tidenhub, also die Differenz des Wasserstands zwischen Hoch- und Niedrigwasser, variiert an der deutschen Nordseeküste zwischen vier Metern im Jadebusen und 1,70 Metern vor List auf Sylt; in trichterförmigen Flussmündungen (Weser und Elbe) sowie bei Spring- und Sturmfluten können auch deutlich höhere Werte erreicht werden.Bei der Überflutung der Wattflächen beobachtet man zwei Phasen: Zunächst läuft das Wasser durch schiffbare Baljen und kleinere, stärker verzweigte Priele, die gewissermaßen Flusssysteme im Kleinen darstellen, auf. Erst wenn die Priele gefüllt sind, werden die Hochflächen (Platen) überflutet, was aufgrund ihres geringen Gefälles sehr schnell geschehen kann und schon manchen unerfahrenen Wattwanderer in ernste Gefahr gebracht hat. Wenn das Wasser bei Ebbe wieder abläuft, werden diese Phasen in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen.Sand, Schlick und SalzwiesenMan unterscheidet je nach Zusammensetzung und Größenverteilung der Bodenpartikel zwischen Sand-, Misch- und Schlickwatt. Sandwatt enthält überwiegend Grobschluff und Sand, also anorganische Gesteinskörnchen mit Durchmessern zwischen 0,02 und 2 Millimetern sowie relativ geringe Mengen von Kalk und organischer Substanz (beide je 1—2 %). Im grobporigen Sandwatt versickert Wasser so schnell, dass man es sogar mit Fahrzeugen befahren kann. Schlickwatt hat dagegen einen deutlich höheren Anteil an Kalk und organischen Stoffen; er beträgt jeweils über 10 %. Die Korngrößen liegen überwiegend im Schluff- und Tonbereich, also unter 2 bis 60 Mikrometer (Millionstel Meter). Da das Schlickwatt sehr feinporig ist, bildet es schlammige Suspensionen, die oft kaum Sauerstoff enthalten. Die Fäulnisprozesse, welche unter diesen Bedingungen ablaufen, verursachen den für Menschen unangenehmen Geruch von Schlick. Außerdem wird das Schlickwatt von Mikroorganismen besiedelt, die zum einen Photosynthese treiben und dabei Sauerstoff produzieren, und die zum anderen Schleimstoffe absondern und so dem Austrocknen bei Ebbe und der Erosion entgegenwirken. Dadurch stabilisieren sie das Watt und tragen zu seiner Verlandung bei. Zu diesen Mikroorganismen gehören insbesondere die Zyanobakterien und die Diatomeen (Kieselalgen) genannten pflanzlichen Einzeller.Mischwatt nimmt zwischen den beiden genannten Typen eine Zwischenstellung ein. Zum Großökosystem der südlichen und östlichen Nordseeküste gehören außer dem Watt noch weitere Landschaftstypen außerhalb der Deiche. Dies sind Strände, Dünen und Ästuare (Flussmündungen), aber auch die Salzwiesen, Bereiche oberhalb des mittleren Tidenhochwasserstands, die nur sporadisch überflutet werden. Je nach Höhe gliedern sie sich in Streifen mit unterschiedlich salzresistentem Bewuchs. Die Salzwiesen tragen normalerweise eine geschlossene Pflanzendecke, deren Individuen ungewöhnliche Artengemeinschaften bilden. Auch diese Zonen sind von Prielen durchzogen. Zum Teil werden die Salzwiesen als Viehweiden genutzt.Tiere und Pflanzen im WattDie meisten Tiere, die das Watt bewohnen, fallen dem Wanderer auch bei Ebbe kaum ins Auge, da sie eingegraben in Sand und Schlick auf die nächste Flut warten. Ein Beispiel ist der Pierwurm (Arenicola marina), der auch als Wattwurm bekannt ist. Sichtbar sind nur seine Kothäufchen am einen Ende der U-förmigen Wohnröhre. Wie sein Verwandter, der Regenwurm, frisst der Pierwurm den Boden, dessen organische Bestandteile er verdaut. Auch der Seeringelwurm (Nereis diversicolor) ist ein Sedimentfresser, er kommt dazu aber mit dem Vorderkörper aus seiner Wohnröhre heraus, um seine Umgebung abzuweiden. Die Pfeffermuschel (Srobicularia plana) ernährt sich ebenfalls vom Boden. Wie viele andere Muscheln lebt sie im Wattboden, nur ihre Atemröhre (Sipho) reicht bis zur Oberfläche, wo sie das besonders nährstoffreiche Sediment absaugt.Tief im Sand steckt die Sandklaffmuschel (Mya arenaria), die einen doppelröhrigen Sipho besitzt. Die essbare Herzmuschel (Cardium edule) lebt flach im Wattboden. Man findet die Schalen dieser Muscheln sehr häufig am Strand, doch im Watt lassen sich auch halb freigelegte lebende Muscheln beobachten, was die ständige Umgestaltung des Watts durch die Gezeiten zeigt. Die einzige an der Wattoberfläche lebende Muschel ist die Miesmuschel (Mytilus edulis). Sie zählt zu den bekanntesten und auch meistverzehrten Muschelarten. Sie besiedelt die Oberfläche von Steinen, Prielkanten, Holzbaken in meist umfangreichen Muschelkolonien, wobei sich die Muscheln oft auch an der Schale ihrer Nachbarn festsetzen.Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ausgestorben ist die europäische Auster (Ostrea edulis), die früher in Nordfriesland gefischt wurde und die sich ebenfalls fest an Oberflächen anheftete. Zum Ausgleich wurde Mitte der 1970er-Jahre bei Sylt damit begonnen, Pazifische Austern (Crassostrea gigas) anzusiedeln. Es dauerte jedoch bis in die 1990er-Jahre, daraus eine stabile Population aufzubauen.Ein weiterer bekannter und gern gegessener wirbelloser Wattbewohner ist die längliche, etwa 2—8 Zentimeter lange Sand- oder Nordseegarnele (Crangon crangon) — fälschlich meist als »Krabbe« bezeichnet. Diese in großen Schwärmen vorkommenden kleinen Krebse sind die Ersten, die mit der Flut ins Watt gelangen, und die Letzten, die es bei Ebbe verlassen. Sie sind das wichtigste Nutztier im Watt.Weitere häufig vorkommende Krebstiere im Watt sind Einsiedlerkrebse wie der Bernhardkrebs (Pagurus bernhardus) und die Strandkrabbe (Carcinus maenas). Schließlich seien noch die Quallen erwähnt, die höheren Lebewesen mit dem höchsten Wasseranteil. Im Wattenmeer findet man vor allem die Kompassqualle (Crysaora hyoscella) und die Seestachelbeere oder Stachelbeerqualle (Pleurobrachia pileus) — wer einmal am Strand barfuß auf eine angelandete Qualle getreten ist, wird dies nicht so bald vergessen, denn diese Tiere produzieren ein schmerzhaftes Nesselgift.Typische Wirbeltiere des Wattenmeers sind außer Fischen und Vögeln die Seehunde, das einzige Säugetier dort. Die häufigsten Fische im Watt sind Flunder (Platichtys flesus) und Europäischer Flussaal (Anguilla anguilla), die sich von den fest sitzenden Muscheln, von Würmern, Garnelen und Kleinfischen ernähren. Die Flunder kann sich im Watt eingraben und auf diese Weise sogar Niedrigwasser überstehen. Das Wattenmeer ist auch die Heimat von Makrele, Hering, Meerforelle und Rochen, außerdem dient es vielen Fischarten des offenen Meeres als »Kinderstube«, zum Beispiel der als Speisefisch sehr beliebten Scholle (Pleuronectes platessa), auch Goldbutt genannt. Dies ist einer der Gründe für die große ökologische Bedeutung dieses Lebensraums.Die Zahl der Vögel, die im Bereich von Wattenmeer und Nordseeküste dauerhaft leben oder diese Zone als Rast- und Nistplatz bei ihren langen Zügen nutzen, ist auch heute noch enorm, sowohl was die Individuen als auch was die Artenfülle anbelangt. Um nur die bekanntesten zu nennen: Silber- und Lachmöwe (Larus argentatus, Larus ridibundus), Austernfischer (Haematopus ostralegus), Großer Brachvogel (Numenius arquata), (Alpen-)Strandläufer (Calidris alpina), Knutt (Calidris canutus), Brandenten (Tadorna tadorna) und verschiedene Arten der Seeschwalben, die aber keine Schwalben sind, sondern zu den Möwenvögeln gehören. Ein Beispiel ist die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea), deren jährliche Wanderung über 17 000 Kilometer vom Nord- zum Südpolargebiet und zurück führt.Der Seehund (Phoca vitulina) ist der König des Wattenmeers — er kennt außer dem Menschen keine Feinde und ist das Ende der wattenmeerischen Nahrungskette. Den größten Teil des Jahres verbringt er im offenen Wasser, wo er sich gewandt bewegt und mit bis zu 35 Stundenkilometern Jagd auf Fische macht. Dabei taucht er bis zu 20 Minuten lang. Dem fast immer hungrigen Seehund — er verzehrt rund fünf Kilogramm Fisch pro Tag — entgeht kaum ein Beutetier.Im Sommer, wenn die Seehundbabys geboren werden, benötigen die Muttertiere ruhige Sandbänke oder ungestörte Strandabschnitte. Während der vier bis fünf Wochen, in denen die Kleinen gesäugt werden, nehmen sie pro Tag ein Kilogramm zu. Sie können von Geburt an schwimmen, lernen aber erst mit der Zeit, wie man Fische fängt. Bei Störungen kann es vorkommen, dass die furchtsamen Seehundeltern die kleinen »Heuler« scheinbar im Stich lassen; sie kehren jedoch zurück, sobald die Gefahr vorüber ist. Verstoßene Zwillingsgeburten und »Waisen« werden von Tierschützern in »Heulerstationen« betreut. Seehunde sind außer durch Ruhestörung und Überfischung auch durch die zunehmende Verschmutzung der südlichen Nordsee bedroht.Schlagzeilen machte das Seehundsterben im Jahr 1988, als mehr als 20 000 Tiere eingingen, rund 60 % des damaligen Bestands. Auslöser war vermutlich ein Virus (»Seehund-Aids«), es wurde jedoch an der Universität Utrecht nachgewiesen, dass schadstoffbelasteter Fisch das Immunsystem der Seehunde schwächt und sie anfällig für Infektionen macht.Mittlerweile haben sich die Bestände, unter anderem aufgrund der Einstellung der Jagd und wegen der Einrichtung der Nationalparks, so weit erholt, dass es heute mehr Tiere als im Jahr 1987 gibt.Pflanzen im WattDas eigentliche Watt sowie Strand und Dünen bieten nur sehr wenigen höheren Pflanzen Lebensraum. Zu extrem sind die Umweltbedingungen mit hohem Salzgehalt, starken Tempe-ra-turschwankungen, Eisgang im Winter, unzureichendem Nährstoffangebot und der meist geringen Stabilität des Bodens. Die in der Ostsee häufigen Tangpflanzen finden sich im Wattenmeer nur dort, wo menschliche Bauwerke ihnen Möglichkeiten zum Anheften bieten, im natürlichen Watt fehlen sie. Die einzige Blütenpflanze, die im Watt größere Bestände aufrechterhalten kann, ist das Seegras (Zostera marina). Äußerst produktiv ist das Watt aber bei einzelligen Pflanzen, Kleinstlebewesen und Bakterien (die sich übrigens biologisch von den Pflanzen weit mehr unterscheiden als diese von den Tieren). Beim Plankton handelt es sich um tierische, pflanzliche und bakterielle Einzeller und kleine Vielzeller, die im Wasser schweben. Es ist die Nahrungsgrundlage von Jungfischen und zahllosen wirbellosen Kleintieren sowie - letztlich - der gesamten Lebensgemeinschaft bis hin zu den Fischern der Küstenstädte und -dörfer. Vom Watt landeinwärts findet man eine Folge von Pflanzengesellschaften mit abnehmender Salzverträglichkeit. In der Nähe des mittleren Tidehochwasserstands siedeln Queller (Sali-cornia europaea) und Schlickgras (Spartina anglica). Etwas höher gelegen folgen Andel oder Strand-Salzschwaden (Puccinellia) und dann die Grasnelke (Armeria maritima). Die Pflanzenarten im Übergangsbereich zwischen Watt und Festland besitzen eine wichtige Rolle im Küstenschutz und bei der Landgewinnung, da sie durch ihr Wurzelwerk zur Verfestigung des Untergrunds beitragen und damit der Erosion entgegenwirken. Von besonderer Bedeutung ist auch die Vegetation der Dünen, zu welcher der Strandhafer (Ammophila arenaria) gehört. Sie können ihre Schutzwirkung bei Sturmfluten nämlich nur mit intakter Pflanzendecke entfal-ten, weshalb es schon seit langem verboten ist, die Randdünen außerhalb der angegebenen Wege zu betreten.Entstehung der WattenlandschaftWährend der letzten Eiszeit, vor etwa 100 000—10 000 Jahren, war die heutige Nordsee aufgrund des um 50—100 Meter niedrigeren Meeresspiegels zu großen Teilen frei von Wasser. Davon künden Tierknochen, Siedlungsreste und Moorsedimente, die am Boden des Nordseebeckens gefunden wurden. Der Wiederanstieg des Meeres und damit die Überflutung des Gebiets zwischen England, Deutschland und Dänemark vollzog sich schubweise zwischen 8000 und 5000 v. Chr. Dieses als Transgression bezeichnete Vordringen des Wassers war von zeitweiligen Rückzügen (Regressionen) begleitet. Im letzten vorchristlichen Jahrtausend entstanden die Ostfriesischen Inseln aus Sandanwehungen, die sich in einem komplizierten Prozess der Dünenbildung zu mehr oder weniger stabilen Inseln ausweiteten. Ihre Küsten waren aber immer Änderungen unterworfen. So »wandern« einige Inseln wie Baltrum oder Wangerooge durch Abbrüche einerseits und Anlandungen andererseits nach Osten. Die Insel Langeoog war jahrzehntelang dreigeteilt, und andere Inseln sind sogar völlig verschwunden. Auch bis dahin sicheres Festland ging in historischer Zeit bei Sturmfluten dauerhaft verloren: Zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert entstanden Dollart, Leybucht und Jadebusen. Bei der schwersten bekannten Sturmflut, der Zweiten Marcellusflut am 16. 1. 1362, ertranken unzählige Menschen, als der Westen Nordfrieslands mitsamt der sagenumwobenen Stadt Rungholt unterging und nur die heutigen Nordfriesischen Inseln und Halligen übrig blieben. Durch Deichbau und systematische Landgewinnung konnte die Nordsee seit dem Mittelalter trotz weiterer schwerer Sturmfluten zurückgedrängt werden. Doch auch heute noch steigt das Meer mit rund 25 Zentimetern pro Jahrhundert an. Zusammen mit den zunehmenden Eindeichungen bedeutet dies, dass die Fläche des Wattenmeers sowohl von der Land- als auch von der Seeseite abnimmt.Gefährdung und SchutzmaßnahmenWie sehr der Lebens- und Siedlungsraum Wattenmeer und, allgemein, die Nordseeküste gefährdet sind, wurde den Menschen im Laufe der Jahrhunderte durch verheerende Sturmfluten mit vielen Todesopfern immer wieder verdeutlicht. Daher betrieb man seit dem Mittelalter durch Deichbau und einschlägige Gesetzgebung Küstenschutz. Deichvögte und -grafen waren für die Einhaltung der Gesetze und die Pflege der Deiche verantwortlich.Im 20. Jahrhundert kam jedoch eine neue Gefahr für das Watt hinzu, auf welche die Küstenbewohner nur wenig Einfluss haben: die Verschmutzung des Naturraums durch die giftige Wasser- und Schlammfracht von Rhein, Elbe und anderen in die Nordsee entwässernden Flüssen.Auch der Schiffsverkehr trägt zur Belastung der Nordsee bei; nicht nur durch Gifteinleitungen in größeren Mengen, sondern auch durch permanent anfallende Emissionen, wie den Abrieb von Schiffsanstrichen (dabei wird die giftige Chemikalie Tributylzinn, TBT, freigesetzt), Schmierölverluste und Ähnliches. Der Weg vom Ärmelkanal zum Hamburger Hafen beziehungsweise zum Nord-Ostsee-Kanal ist einer der meistgenutzten Schifffahrtswege weltweit, der Nord-Ostsee-Kanal die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Man bemüht sich zwar um die Einführung von modernen, umweltfreundlichen Schiffstypen und Wartungstechniken, doch das steigende Seeverkehrsaufkommen macht den Erfolg dieser Anstrengungen zunichte. Andere Gefahrenquellen für Tiere und Pflanzen im Watt sind Überfischung und Tourismus.Um diesen einzigartigen Naturraum trotz der vielfältigen Bedrohungen und Interessenkonflikte auch zukünftigen Generationen zu erhalten, wurden Mitte der 1980er-Jahre die Nationalparks Niedersächsisches, Schleswig-Holsteinisches und Hamburgisches Wattenmeer mit insgesamt über 500 000 Hektar Fläche eingerichtet. Das Hamburgische Wattenmeer wurde 1990 zum Nationalpark erklärt. Es liegt rings um die Insel Neuwerk westlich von Cuxhaven, wo das Land Hamburg Landflächen besitzt.Die Parks erstrecken sich ungefähr von der seeseitigen Deichlinie (Deichfuß) bis zu einer Wassertiefe von 5 bis 10 Metern seeseits der Inseln und Sandbänke. Dabei sind die größeren Inseln und Halligen entweder ausgenommen (Nordfriesland) oder in Zonen mit weniger strengen Schutzauflagen eingeteilt (Niedersachsen). Die Einrichtung und spätere Ausweitung der Parks war von zum Teil heftigem Widerstand der Anwohner begleitet, die nicht nur um ihre wirtschaftlichen Grundlagen in Fischfang und Tourismus fürchteten, sondern auch ihre eigene Kompetenz im Küsten- und Naturschutz infrage gestellt sahen.Mittlerweile haben die Auseinandersetzungen jedoch nachgelassen, da man begann, die fördernde Wirkung der Nationalparks auf den Fremdenverkehr, die Haupteinnahmequelle der Region, zu erkennen.Richard Pott: Farbatlas Nordseeküste und Nordseeinseln. Stuttgart 1995.Thorsten D. Künnemann: Salzwiesen. Überleben zwischen Land und Meer. Oldenburg 1997.Ökosystem Wattenmeer, herausgegeben von Christian Gätje und Karsten Reise. Berlin 1997.Barbara Schliebaum und Henning von Nordheim: Das Wattenmeer. Ein gefährdeter Lebensraum. Stuttgart 1997.Georg Quedens:Strand und Wattenmeer. Tiere und Pflanzen an Nord- und Ostsee. München 71998.Umweltatlas Wattenmeer, herausgegeben von der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und dem Umweltbundesamt. 2 Bände. Stuttgart 1998-99.Hans-Joachim Augst und Martin Stock: Augenblicke im Nationalpark Wattenmeer. Heide 1999.Klaus Janke und Bruno P. Kremer: Düne, Strand und Wattenmeer. Tiere und Pflanzen unserer Küsten. Stuttgart 31999.Armin Maywald: Wattenmeer. Im Wechsel der Gezeiten. Steinfurt 1999.Pflanzen- und Tierwelt im Wattenmeer, herausgegeben von Jürgen Newig und Hans Theede. Hamburg 2000.Georg Quedens: Das Wattenmeer. Neuausgabe Hamburg 2000.
Universal-Lexikon. 2012.